Copying is right ...?
- bertrand985
- 20. Apr. 2021
- 4 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 27. Apr. 2021
Neulich ging es in einer hitzigen Diskussion wieder mal um das Thema Raubkopiererei in der Musik. Als aktiver Musiker habe ich dazu naturgemäss eine meist abweichende Vorstellung verglichen mit anderen Leuten. Was mich immer wieder erstaunt und Mmmmmm... denken lässt, sind die angeblichen Gründe wieso Leute Musik "stehlen", denn grundsätzlich ist es ja nichts anderes.
Eines der Hauptargumente besonders junger Leute ist: " Ich kriege nicht soviel Taschengeld" bzw. "Ich verdiene in der Lehre so wenig". Wenn man sich dieses Argument dann etwas durch den Kopf gehen lässt, wird es schon etwas fadenscheinig. Heisst das dann auch, dass ich darum in einem Kleiderladen Sachen mitgehen lasse, weil ich sie mir nicht leisten kann ? Oder CD's bei Mediamarkt ? Warum ist dort die Hemmschwelle viel höher ? Versuch einer Erklärung:
Erstens, es ist per Gesetz illegal. Aber das ist Musik von File-Sharing Sites herunter zu laden doch auch ? Überraschung, nicht in der Schweiz! Der Handel und das Weiterverbreiten ist illegal, das Herunterladen nicht, wie auch kürzlich die gegenüber Künstlerbelangen absolut blinde Regierung erneut bewies, indem sie diesen Missstand erneut bestätigte.
Zweitens, Die Ware ist gegen Diebstahl gesichert. Das geht doch auch bei Musik, oder ? Eigentlich schon, da sich aber die Unternehmen der Musikindustrie mit selten umständlichen und kundenunfreundlichen Lösungen überboten haben (Stichwort DRM), haben sie schlussendlich kapituliert und fast jeder Online-Anbieter von Musik ist inzwischen dazu übergegangen, den Kopierschutz ganz oder teilweise aufzuheben. Das betrifft aber nur die kommerziell angebotenen Stücke. Die Millionen von privat kopierten und ins Netz gestellten Songs sind frei und einfach verfügbar, jedes Kind hat die Möglichkeit, sich diese Songs herunter zu laden.
Drittens: Die Möglichkeit erwischt zu werden ist höher. Mit Videoüberwachung, Kaufhausdetektiven und eventuell aufmerksamen Verkäufern ist die Chance hoch, bei einem Mitgehen einer CD erwischt zu werden. Die Anonymisierung des Internets schützt den Raubkopierer fast vollständig, ein Erwischt-werden ist praktisch ausgeschlossen, zumal, da sind wir wieder bei Erstens, es ja nicht strafbar und somit auch nicht verfolgt wird in der Schweiz.
Was ist übrigens bezüglich dieses Argumentes aus der alten Tugend des Verzichtes geworden ? Ich kann es mir nicht leisten, also verzichte ich darauf BIS ich es mir leisten kann. Früher (oh mein Gott, jetzt fange ich auch schon mit diesen Sätzen an, vergebt mir) hat man sich eine LP (das sind die grossen runden schwarzen Dinger gemacht aus so etwas wie Plastik) gekauft und die rauf und runter genudelt, bis man sie auswendig kannte oder solange bis man wieder genug Taschengeld zusammen hatte, um sich die nächste LP zu kaufen. Stand heute kopiert und tauscht man tausende von Songs auf einen Schlag und wird wahrscheinlich 50% davon nie zu Gehör kriegen, da bricht dann wieder mal die Jäger-und-Sammler Kultur durch.
Was aber ist der wesentliche Punkt dahinter ? In meinen Augen ist es die Wertschätzung gegenüber der Kunst. Musik hatte vor 20-30 Jahren einen ganz anderen Stellenwert für den Besitzer. Stolz wurden die mühsam ersparten Sammlungen den Freunden gezeigt, eine neue Scheibe wurde zelebriert und gefeiert. Die Musik wurde wegen ihres Wertes für einen persönlich geschätzt. Heute ist durch die schiere Anzahl an verfügbarem Material auf -zig Medienkanälen die Musik Ihres Wertes beraubt worden. Sie ist meist nur noch Randerscheinung, Hintergrundberieselung und kurzlebige Unterhaltung. Ich werde in einem späteren Blog noch auf die Rolle der Musikindustrie zu sprechen kommen, die beileibe nicht unschuldig an diesem Trend ist.
Was viele Raubkopierer nicht bedenken, ist der Umstand, dass sie mit diesem Verhalten nicht nur den grossen Labels und Musikkonzernen schaden, sondern in erster Linie dem Musiker selber. Wie soll sich ein Musiker noch über Wasser halten können, wenn seine Alben zu 95% kopiert werden und er damit keine Einnahmen generieren kann ? Ganz zu schweigen von der ganzen Maschinerie darum herum wie Labels, Tonstudios etc. Kein Wunder ist das Live-Spielen wieder so in Mode gekommen, damit kann noch einigermassen Geld gemacht werden. Wenn es so weitergeht, wird es bald nur noch Musiker geben, die in ihrer Freizeit Alben machen und sonst irgendwo arbeiten, um sich zu finanzieren. Auch eine Möglichkeit, die Frage ist nur ob dies dann wirklich noch so hervorragende und dedizierte Musiker hervorbringt wie in der Vergangenheit, oder ob dann auch die Musik auf den Level der Freizeitbeschäftigung anstelle eines richtigen Künstlertums absackt.
Die Technik in der Musikproduktion ist sicher immer günstiger und qualitativ besser geworden. Mit einem Laptop und Software kann man heute schon sehr gute Produktionen machen. Dies ist jedoch nur ein kleiner Teil der Gleichung. Ein Musiker braucht vor allem eines, Zeit. Zeit um ein Instrument zu erlernen, Zeit zum Üben, Zeit um Songs zu schreiben und Zeit, um darin immer besser zu werden, Zeit um sich mit der Technologie vertraut zu machen und Zeit, um seine Musik an den Mann/Frau zu bringen. Ein einigermassen solides Grundeinkommen ermöglicht es dem Musiker, sich darauf zu konzentrieren und bessere Leistungen zu erbringen. Oder hat schon mal jemand einen Geiger der Berliner Symphoniker hinter der Kasse bei McDonalds getroffen ?
Also, copying is right ? Ja, wenn wir von einer Sicherungskopie für den privaten Gebrauch reden oder damit man die Musik auf den NAS-Filer zum Streamen ablegen kann (anderes Thema, anderer Post). Nein, wenn es darum geht, für eine Leistung, die jemand erbracht hat und die einen Preis hat, nichts zu bezahlen nur weil es technisch möglich ist.
Peace...
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